Nicht faul, sondern effizient

Verändert das Internet unsere Kommunikation? Ein Interview mit Peter Schlobinski, Professor für Linguistik, über Faulheit, Selbstkontrolle und Lingubots.

 
Schon mal „wtf“ geschrieben?
Selber noch nicht, nein.

Aber Sie wissen, was es heißt?
Eigentlich weiß ich es. Aber es fällt mir grad nicht ein.

What the fuck.
Genau!

Warum machen wir das mit den vielen Abkürzungen? Sind wir faul?
Würd ich so nicht sagen. Erst mal gibt es diese Abkürzungen ja nicht überall im Internet, sondern nur in bestimmten Kommunikationsformen. Zum Beispiel in der Chat-Kommunikation. Da muss man sehr schnell tippen, weil man quasi synchron kommuniziert. Bei SMS und Twitter hat man nur eine begrenzte Zahl an Zeichen zur Verfügung.

Wir sind also nicht faul, sondern effizient.
Auf jeden Fall. Das ist der eine Aspekt: die Sprachökonomie. Der andere ist, dass man in solchen Fällen der mündlichen Sprache sehr nah ist. Man schreibt, wie man spricht. Und da hat man dann einfach auch die Freiheit, die gängige Orthografie ein Stückweit aufzubrechen.

Finden Sie es befremdlich, wenn einer Ihrer Studenten eine Mail mit „LG“ beendet?
Erst fand ich’s befremdlich. Jetzt habe ich mich daran gewöhnt. Trotzdem finde ich eigentlich, dass es der Kommunikation zwischen Professor und Student nicht angemessen ist. Ich würde Studenten davon abraten. Es ist wichtig zu lernen, welches sprachliche Repertoire man wann gebraucht. Das gilt für die gesprochene Sprache und noch stärker für die schriftliche.

Kommt also ganz darauf an, wem man eine Mail schreibt.
Klar. Wenn ich meinen Kindern schreibe, dann ende ich auch mal mit „hdl“. Aber wenn ich eine offizielle Mail schreibe, dann beachte ich alle Regeln der Orthografie und alle standardisierten Höflichkeitsformeln.

Denken Sie, dass man diese Trennung im Internet schneller mal vergisst?
Die Formalitätsschwelle ist sicherlich abgesenkt. Die E-Mail ist eine informellere Kommunikationsform als etwa der Brief. Und deshalb gehen da manche konventionelle Höflichkeitsformeln verloren.

Ist das auch der Grund, weshalb in E-Mails mehr Rechtschreibfehler gemacht werden als in Briefen?
Ja. Der eigene Monitor ist ausgeschaltet, man überwacht sich selbst nicht so stark. Das hängt aber auch mit dem Zeitdruck zusammen, der mit den neuen Medien verbunden ist. Man schreibt schnell was und schickt es sofort los, ohne es noch mal zu kontrollieren. Das ist ja auch erst mal nicht so schlimm.

 

 

Peter Schlobinski ist Professor für germanistische Linguistik am Deutschen Seminar an der Leibniz Universität Hannover. Mit zwei Kollegen betreibt er seit 1998 die Seite mediensprache.net. Dort erscheinen regelmäßig aktuelle Artikel zum Thema Sprache in den neuen Medien.

 

 

 

Nicht?
Na ja, auch hier gilt wieder: In der informellen Kommunikation mit Freunden ist das sehr plausibel. Man muss eben nur wissen, wann es doch besser ist, die Selbstkontrolle wieder einzuschalten. Wenn ich an den Bundespräsidenten schreibe, werde ich nicht schreiben „Hallo Herr Bundespräsi“ und dann am Schluss „LG“…

Gehen wir im Internet unüberlegt mit Sprache um?
Das würde ich so generell nicht sagen. Es gibt einen gewissen Gewöhnungseffekt. Deshalb wäre es sicher gut, über das Thema wieder mehr zu reflektieren, zum Beispiel auch im Schulunterricht darüber zu reden.

Bietet das Internet denn auch neue Möglichkeiten für sprachliche Kreativität?
Man könnte sagen: Dadurch, dass die Konventionen ein Stückweit fallen, geht man freier mit Sprache um. Und das bietet natürlich Möglichkeiten für Kreativität. Ehrlich gesagt kann ich aber weder die Haltung unterschreiben, dass das Internet den Verfall der Sprache bedeutet. Noch die umgekehrte, dass alles, was im Internet passiert, furchtbar toll und kreativ ist.

Sondern?
Es gibt Anpassungsprozesse wie eben die Sprachökonomie und die Angleichung an die gesprochene Sprache. Dann kommt dazu, dass das Bildhafte eine Rolle spielt – Stichwort Smiley. Diese Entwicklungen gibt es, sie wirken sich auf den Sprachgebrauch aus. Das ist weder gut noch schlecht. Aber interessant zu beobachten.

Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Thema Mensch-Maschine-Kommunikation: Warum können Computer nicht so kommunizieren wie Menschen? Was fehlt ihnen?
Das ist eine ganz schön komplexe Frage. Lingubots und Chatbots sind recht einfach programmiert. Und diese Programme sehen natürlich völlig anders aus als das, was bei uns im Gehirn abläuft. Das Problem ist, dass ein Wort mehrere Bedeutungen haben kann und wir es immer auch im Kontext beurteilen. Und all das ist im Prinzip nicht programmierbar.

Und wofür sind Sprachroboter dann überhaupt gut?
Die werden hauptsächlich als Informationssysteme eingesetzt. Also zum Beispiel auf Internetseiten von Firmen. Da kann man anrufen und bestimmte Informationen erfragen.

Das funktioniert umso besser, je enger das Themenfeld eingegrenzt ist?
Genau so ist es. Die Sprachcomputer werden genau auf das Thema eingestellt. Das nennt man Rahmensemantik. Sie können das mal testen: Rufen Sie mal bei Mercedes an und sagen Sie dem Lingubot, Sie interessieren sich für Regenschirme. Das ist in seinem System nicht relevant, deshalb werden Sie auch keine vernünftige Antwort bekommen. Es ist eben kein Verstehen im menschlichen Sinne.

Und wird es das irgendwann geben: Sprachcomputer, die alles verstehen?
Schwer zu sagen. Die Fortschritte, die in den letzten Jahren im Bereich Computerlinguistik und künstliche Intelligenz gemacht wurden, sind schon enorm. Aber zum Beispiel: Ironie zu erkennen, das ist eine ganz große Fähigkeit, die wir Menschen haben. Ob Computer das je können werden, weiß ich nicht. Wir sind jedenfalls noch sehr weit davon entfernt.

 

Bild oben: secretgarden/Quelle PHOTOCASE | Bild mitte: privat